Nach knapp 28 Jahren ging am 4. April 2013 die Ära der Boeing 737 in den Diensten von Lauda Air und Austrian zu Ende. Der Verein der Freunde des Flughafens Linz nimmt den Abschied der letzten Boeing 737-800 am Linzer Flughafen im Rahmen einer Luftraumüberwachungsübung des Bundesheeres zum Anlass, noch einmal die Geschichte der Boeing 737 in Diensten der beider österreichischen Fluglinien aufzurollen.
Als 1967 die erste Boeing 737 an Lufthansa übergeben wurde, ahnte wohl noch niemand, dass diese Flugzeugtype nach über 40 Jahren und nach über 10.000 gebaute Exemplare verschiedenster Versionen nach wie vor vom Band des amerikanischen Flugzeugherstellers Boeing aus Seattle läuft. Die heimische Austrian Airlines stand Ende der 1960’er Jahre auch vor der Entscheidung, ihre Flotte zu modernisieren. Offiziell hieß es, dass man sich aufgrund der besseren Flugeigenschaften gegen die Boeing 737 und für die Douglas DC-9 ab 1971 entschieden hat, aber dass sich eine eine Swissair, SAS oder KLM für die DC-9 entschieden hatte, dürfte dieser richtungsweisenden Entscheidung nachgeholfen haben. Mit der Einflottung weiterer DC-9 und später McDonnell Douglas MD-80, bei der man sogar Erstkunde der Langstreckenversion MD-87 war, wurde die Vorstellung einer Boeing 737 in den Farben des österreichischen Flagcarriers Austrian Airlines zur tollkühne Phantasie erhoben. Zumindest "Austrian"-Titeln am vorderen Rumpf trug die von März bis Oktober gemietete Boeing 737-2T5 Adv. PH-TVC der Transavia Holland zur Überbrückung eines Kapazitätengpasses bei der AUA.
Boeing 737-2T5 Adv. OE-ILE am Flughafen Berlin-Schönefeld (Foto: planeboys.de)
Für Erstaunen sorgte einige Jahre später ausgerechnet der neue österreichische Volksheld Niki Lauda. Obwohl Lauda Air ab 1983 seine Fokker 27 in Österreich nicht beschäftigen konnte, träumte er vom Erwerb einer modernen Boeing 737-300. Selbst die heimische Bankenlandschaft konnten diesem Vorhaben nichts abgewinnen und verweigerten Niki Lauda vorerst die Kredite für die Bestellung einer Boeing 737. Währenddessen nahm Lauda Air wieder den Flugbetrieb mit zwei geleasten Bac 1-11 auf um Charteraufträge der damaligen ITAS abzuwickeln. Durch die Unterstützung von Barcley’s bekam Niki Lauda seinen Kredit zur Finanzierung der Boeing 737-300. Da sich die Bac 1-11 bis zur Auslieferung der ersten eigenen 737 nicht als Weisheit letzter Schluß erwiesen, leaste man ab Dezember 1985 eine Boeing 737-2T5 der niederländischen Transavia. Mit der OE-ILE fand nun die erste Boeing 737 ihren ersten Eintrag in das österreichische Flugzeugregister. Auch dieses Leasingflugzeug erhielt bereits einen eigenen Taufnamen, nämlich "W.A. Mozart". Eine Tradition, die sich später wie ein roter Faden durch die Geschichte der Lauda Air ziehen sollte.
Im Juli 1986 war es endlich so weit. Niki Lauda flog selbst nach Seattle, um seine erste und langersehnte Boeing 737-3Z9 abzuholen. „Z9“ sollte bis zur Übernahme der Lauda Air durch den damaligen Konkurrenten Austrian Airlines das Airline-Kürzel bei Boeing für die kleine Fluglinie des Formel-1-Weltmeisters aus der Alpenrepublik bleiben. Die „OE-ILF“, die 1.254 gebaute Boeing 737 und getauft auf den Namen "Bob Marley", wurde noch im Sommer 1986 neben ihrer geleasten holländischen Schwestermaschine in den Dienst gestellt. Beide absolvierten bis 1987 auch ihre ersten Besuche am Flughafen Linz. Mit der Indienstnahme der Boeing 737-3Z9 OE-ILG "John Lennon" ab März 1988 ging die Boeing 737-2T5 zurück in die Niederlande und das einzige „Donnerschweinchen“ wurde wieder aus dem Luftfahrzeugregister der Republik Österreich gelöscht. Einbrüche bei den Aufträgen für Charterflügen ab Österreich zwangen Lauda Air dazu, die OE-ILG zwischen 1989 und 1990 an die australische Ansett Airlines zu vermieten. Schon damals flog Lauda Air mit ihren ersten Boeing 767-3Z9 ER von Wien nach Australien.
Boeing 737-4Z9 OE-LNI am blue danube airport linz mit Traunstein im Hintergrund (Foto: VFFL)
Im Mai 1991 kam die dritte eigene Boeing 737 hinzu, diesmal in Form der längeren Version -4Z9 OE-LNH "Elvis Presley". Damit wurden auch die Aktivitäten der Lauda Air ab den Bundesländern erhöht und etwa vom Linzer Flughafen aus verstärkt Ferienflüge nach Griechenland und Spanien angeboten. Durch den Perfektionismus von Niki Lauda und der Hereinnahme von Do & Co für das Catering an Board der Flugzeuge von Lauda Air artete nun auch ein Wettbewerb bei den Charterpassagieren aus: „Was, du fliegst Lauda Air? Ich nur AUA“. Schon längst hatte die AUA dem ehemaligen Formel-1-Weltmeister den Krieg erklärt. Mit der Inbetriebnahme der Boeing 737-4Z9 OE-LNI "Janis Joplin" im Februar 1994 antwortete Lauda Air auf seine Art und eröffnete zugleich die ersten Linienflüge ab Wien zu verschiedensten europäischen Destinationen.
Saftey Card einer Boeing 737-400 bei Lauda Air
Kein Geheimnis blieb, dass die in der Zwischenzeit zum Teilhaber der Lauda Air gewordene Lufthansa nicht nur gerne den Airbus A340 bei Lauda Air im Langstreckenverkehr gesehen hätte, sondern auch die Airbus A320-Familie in den Farben mit dem goldenen Engel und dem roten „L“ am Leitwerk. Doch Niki Lauda sorgte abermals für eine Überraschung, als er die ersten beiden Boeing 737-800 bestellte und Vorverträge auf weitere Maschinen mit den Amerikanern abschloss. Mit der Boeing 737-8Z9 OE-LNJ wurde im Juli 1998 die ersten „737 Next Generation“ übernommen, ein knappes dreiviertel Jahr später die zweite, die OE-LNK. Auch hier wurde die Tradition der Erinnerung an bekannter Persönlichkeiten mit den Taufnamen "Falco" und "Freddie Mercury" beibehalten Für die Linienflüge ex Wien bestellte Niki Lauda auch zwei Kurzversionen der neuen 737-Generation, die mit der Boeing 737-6Z9 OE-LNL "Romy Schneider" und OE-LNM "Albert Einstein" im Mai bzw. Oktober 2000 übernommen wurden. In der Zwischenzeit hatte jedoch der einstige Konkurrent Austrian Anteile an der Lauda Air erworben, somit waren die davor angedachten Aufgaben für die Boeing 737-600 andere geworden. Von Mai 2000 bis März 2002 flogen die nagelneuen Boeing 737-600 der Lauda Air im Auftrag der Austrian und Lufthansa zwischen Linz und Frankfurt viermal am Tag. Genauso wie die beiden „737-Babies“ blieben auch die im April und Juni 2001 übernommen Boeing 737-7Z9 OE-LNN "Greta Garbo" und OE-LNO "Maria Callas" eher hinter den Erwartungen und flogen vorwiegend auf Linienstrecken der Austrian.
Austrian/Lauda-Crew vor der Boeing 737-8Z9 Winglets OE-LNQ "Gregory Peck" (Foto Robert Lang)
Erfolgreicher entwickelte sich die Boeing 737-8Z9 innerhalb der Austrian Airlines Group, zum einen durch den verstärkten Einsatz auf den Charterstrecken anstelle der in die Jahre gekommenen MD-82/83. Auch in Linz blieb lange Jahre eine Boeing 737-8Z9 Winglets ganzjährig stationiert. Zum anderen wurden die Boeing 737-8Z9 auch auf längeren Linienflügen der Austrian eingesetzt, wie etwa nach Dubai oder Malé. Im März 2002 kam mit der OE-LNP, Taufname "George Harrison"die dritte, ab Juli 2003 mit der OE-LNQ "Gregory Peck" die vierte Boeing 737-8Z9 hinzu. Diese beiden Maschinen erhielten bereits ab Werk spritsparende Winglets an den Tragflächenspitzen, die danach auf allen bereits ausgelieferten Boeing 737-7Z9 und –8Z9 nachgerüstet wurden. Im Jahr 2004 integrierte die Austrian den Flugbetrieb der Lauda Air nahezu komplett, wodurch die Maschinen der Lauda Air sukzessive die Farben der Austrian erhielten. 30 Jahre zuvor wurde eine 737 mit dem „roten AUA-Pfeil“ noch als Fantasie verspöttelt. Im Rahmen dieser Übernahme wurde seitens der Austrian auch eine von Lauda Air übernommene Boeing 777-Order nach zähen Ringen in eine Bestellung von drei weiteren Boeing 737-8Z9 Winglets umgewandelt. Die OE-LNR "Frank Zappa" traf im April 2005, die OE-LNS im Juni 2005 in Wien ein. Die OE-LNS wurde im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50 jährigen Jubiläums des Linzer Flughafens durch das "No Handicap Orchestra" von behinderten Kindern auf den Namen "Miles Davies" getauft. Den Abschluß bildete die OE-LNT "Kurt Cobain", die im Mai 2006 als letzte Lauda-Air-Maschine aus den Boeing-Werken in Everett rollte. Die OE-LNT war es auch, die im Jahr 2010 die „Star Alliance“-Farben erhielt, während alle anderen Boeing 737 bald in den Farben der Austrian unterwegs waren. Alle? Nein, die OE-LNK nicht. Zur Aufrechterhaltung des Air Operation Certificate, kurz AOC, blieb sie bis zu ihrer Außerdienststellung am 2. April 2013 die einzige und letzte Maschine in der bekannten auch auch beliebten Farbgebung der „Lauda Air“. Zeitweise, zwischen 2005 und 2008, verstärkt durch die beiden Airbus A320-214 OE-LBQ und OE-LBR, welche für Charteraufgaben der Feriendivision „Lauda Air“ zur Seite gestellt wurden. Niki Lauda sollte Recht behalten, für den Airbus A320 waren die Lauda-Air-Farben nicht konzepiert worden.
Letzter Überflug der Boeing 737-8Z9 Winglets OE-LNP am blue danube airport linz (Foto: J. Stiglmair)
Die Außerdienststellung der ersten 737 der Austrian Airlines Group, allesamt Erbpacht durch die von der Politik erwünschte Übernahme der Lauda Air durch die Austrian, begann bereits 2001, als die Boeing 737-3Z9 OE-ILG an die Regierung von Madagaskar übergeben wurden. Ihre Schwestermaschine, die OE-ILF, folgte 2003, welche ab 2003 an die Slovak Airlines verleast und im Mai 2007 endgültig an die Air Slovakia verkauft wurde. Mittlerweile dient die OE-ILF als Ersatzteilspender, teilweise bereits zerlegt, am Flughafen von Lourdes. Die beiden Boeing 737-4Z9 gingen im Jahr 2004 bzw. 2005 an die Ukraine International Airlines, wo sie nach wie vor als UR-GAO und UR-GAP im Liniendienst stehen. Im April 2008 wurde die ersten Boeing 737NG mit der Boeing 737-7Z9 OE-LNN von Austrian ausgeflottet. Seither wartet sie im englischen Kemble auf ihre neue Aufgabe, wobei sich im Dezember 2009 die OE-LNO gesellte. Möglicherweise endet die Zukunft der beiden Boeing 737-7Z9 in Kemble ähnlich wie die Boeing 737-6Z9 OE-LNM, die von Dezember 2003 bis März 2008 in „Tirol“-Sonderfarben unterwegs war, und im Jahr 2012 nach St. Athan überstellt wurde, um dort mittlerweile ausgeschlachtet worden zu sein. Die übrige Boeing 737-6Z9 OE-LNL diente zwischen Dezember 2003 und Oktober 2009 der US Navy als Crewtrainer für die Besatzungen der E-6, kam aber wieder zurück in den Liniendienst der Austrian und wurde ebenso wie die Schwester OE-LNM im Mai 2012 nach St. Athan überstellt.
Einer besseren Zunkunft sehen hingegen die Boeing 737-8Z9 Winglets hingegen. Im November 2012 wurde die OE-LNJ nach Shannon überstellt und wartet dort auf einen neuen Betreiber im Rahmen eines Leasingvertrages eines irischen Leasingunternehmens. Ebenfalls in Shannon wurde die im Dezember 2012 außer Dienst gestellte OE-LNQ auf ihren neuen Betreiber, dem britischen Low-Fare-Carriers Jet2 als G-GDFR ab März 2013 vorbereitet. Die OE-LNT hatte den weitesten Weg zu ihrem Betreiber, nämlich als N342AM bei Aeromexico seit Jänner 2013. Die OE-LNR sowie die OE-LNT werden auch weiterhin auf europäischen Flughäfen zu sehen sein, nämlich als OK-TVX bei Travel Service bzw. als 4X-EKU im Einsatz bei El Al Israel Airlines. Die letzten beiden verbliebenen Boeing 737-8Z9 Winglets OE-LNK und OE-LNP werden noch im April an ihre neuen Eigentümer, eine Leasinggesellschaft in Irland, übergeben, die bereits für sie neue Betreiber gefunden hat.
Abschied der Boeing 737 durch eine Abfangübung am 02. und 04. April 2013 (Foto ÖBH)
Auch wenn Anfang April die Geschichte der Boeing 737 bei Lauda Air und Austrian zu Ende ging, bleibt die Boeing 737 dem österreichischen Luftfahrzeugregister auch in Zukunft erhalten. Seit 2006 betreibt die Global Jet Austria die Boeing 737-8DR Winglets BBJ2 OE-ILX als Business Jet im internationalen Einsatz. Für das Logistikunternehmen TNT stehen zudem einige „Classic“ Boeing 737-300/400 als Frachter im Einsatz, die in Österreich immatrikuliert wurden. Gerüchteweise sollte auch bei Amerer Air vor einigen Jahren eine Boeing 737-300F in den Überlegungen eine Rolle gespielt haben.
Dem Verein der Freunde des Flughafens Linz verbinden einige Tages- und Sonderflüge in den letzten Jahren mit den Boeing 737-8Z9 Winglets von Lauda Air bzw. Austrian, insbesondere durch den ehemaligen 737-Kapitän Willi Kothgassner. Auch für mich, als Autor dieses Artikels, bleibt besonders ein tolles Erlebnis mit der Boeing 737 in ewiger Erinnerung: der Cockpit-Mitflug von Chania nach Linz in der OE-LNQ am 17. September 2005. An diesem Tag feierte der blue danube airport linz sein 50-jähriges Bestehen.
Tagesflug von Zahntaxi Steyr und des Vereins der Freunde des Flughafens Linz am 01. April 2010 nach Venedig
Die Vergangenheit lehrt aber eines: sag‘ niemals nie! Demnach ist nicht ganz auszuschließen, dass es wieder einmal eine Boeing 737 bei einer österreichischen Fluglinie geben wird. Einstweilen bleibt die Boeing 737 durch zahlreiche Airlines auf Inbound-Flügen erhalten, so auch dem blue danube airport linz.
Text und Recherche: Michael David